Wer war schuld am Tod Jesu? (V b-2)

Von diesen verschiedenen Richtungen bzw. Gruppen, die zeitlich und räumlich nebeneinander lebten, sind etwa folgende sich als thoratreu verstehende, sog. Judenchristen historisch nachweisbar: A) Ebioniten (hebr. „Arme“, in der Tora werden die Gottesfürchtigen als „Ebionim“ bezeichnet [vgl. 1 Sam 2,8, Ez 22,29, Am 5,12]); einige von ihnen glaubten an Jeschua / Jesus als den Maschiach / Messias, bestritten allerdings seine Göttlichkeit, lehnten Paulus und seine Briefe ab und sprachen wahrscheinlich Aramäisch; andere erkannten die Göttlichkeit Jeschuas / Jesu an, feierten außer dem Schabbat den Sonntag und mit Nichtjuden das Abendmahl. (B) die Nazarener (in Apg 24,5 bezeichnet der Römer Tertullus Paulus als einen Anführer der „Nazoräer“) sahen Jeschua / Jesus als G’ttes Sohn an und glaubten an den Heiligen Geist und die Jungfrauengeburt; der Kirchenvater Hieronymus hielt sie im 5. Jahrhundert für eine jüdische Sekte. C) Darüber hinaus gab es Gruppen, die an Jesus als Messias und Propheten glaubten und einige Teile der Bibel ablehnten.
Sog. Judenchristen bildeten eine starke Fraktion, wie die Berufung Beschnittener zu Bischöfen bzw. bevollmächtigten Oberhäuptern der Jerusalemer Gemeinde in der Nachfolge des Jakobus – einer „Säule“ (Gal 2,9) der Urkirche – bis in die Zeit zum Aufstand des Schimon Bar-Kochba (dt.: Sternensohn, 132-136 u.Ztr.).
Das Wort „Christen“ ist nach dem Zeugnis der griechischsprachigen, lukanischen Apostelgeschichte eine Fremdbezeichnung der (jüdischen) Bevölkerung Antiochias für die messianisch-jes(ch)uanisch Eingestellten (vgl. Apg 11,26), wobei der Exeget Franz Delitzsch im hebräischen Zweiten (Neuen) Testament (Berit chadascha), für diese Gruppe den Ausdruck „Messianische“ (משיחיים meschijchijjim) verwendet.
Einen vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung dokumentiert der Brief von Irenäus von Antiochia an die im Westen Kleinasiens beheimateten Magnesier (Kap. X; 100-110 u.Ztr.), in dem der Ausdruck „Christianismos“ (dt. das Christentum) erstmals auftaucht.

Verwendete Litertaur: z.B. Brumlik, Micha, Entstehung des Christentums, Berlin 2010, S. 18-47; Heer, Friedrich, Gottes erste Liebe. 2000 Jahre Judentum und Christentum, München u.a. 1967, S. 50-62; Jedin, Hubert, Hg., Handbuch der Kirchengschichte. Band I. Von der Urgemeinde zur frühchristlichen Großkirche, Freiburg u.a. 1963, S. 73-79, 91-92, 133, 180-186; https://de.wikipedia.org/wiki/Christenverfolgungen_im_Römischen_Reich; https://de.wikipedia.org/wiki/Ebioniten#cite_ref-7; https://de.wikipedia.org/wiki/Nazarener_(Religion)#Im_ersten_Jahrhundert; https://library.biblicalarchaeology.org/article/was-the-gospel-of-matthew-originally-written-in-hebrew/; https://de.wikipedia.org/wiki/Brief_des_Ignatius_an_die_Magnesier.


Hr. Norbert C. Schmeiser OP

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