„Iustitia et Pax“

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„Iustitia et Pax“ war der Name eines Päpstlichen Rates, der sich seit 1967 auf internationaler Ebene für die Förderung von Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechten einsetzte. 2017 wurden seine Aufgaben vom neu errichteten „Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen“ übernommen. Gerechtigkeit und Frieden gehören zu den Herausforderungen, die die Menschheit seit jeher begleiten. Trotz aller technologischer Fortschritte hat sich daran nichts geändert.

Unverändert ist auch, dass wenig Einigkeit darüber besteht, was genau unter Gerechtigkeit und Frieden überhaupt zu verstehen ist. Als Konfliktforscher an der Universität Heidelberg bin ich alltäglich mit dieser Frage konfrontiert. Die moderne empirische Konfliktforschung versteht unter „Frieden“ zumeist die Abwesenheit von Krieg. Doch auch was Krieg ist, ist wissenschaftlich umstritten. Viele betrachten dabei lediglich die Zahl der Todesopfer und ziehen eine willkürliche Grenze bei 1000 Todesopfern pro Jahr, um Krieg von Nicht-Krieg zu unterscheiden. Können wir jedoch wirklich von „Frieden“ sprechen, wenn in einer Gesellschaft bspw. 500 Menschen in einem Jahr durch Kampfhandlungen gestorben sind? Und selbst wenn der zwischen- oder innerstaatliche Krieg, der die Menschen heimgesucht hat, beendet ist, herrscht in vielen Ländern im Anschluss kein Frieden.

Der „positive“ Friedensbegriff zielt anders als die „negative“ Variante nicht einfach auf die Abwesenheit von Krieg, sondern stellt eine „gerechte“ Gesellschaftsordnung in den Mittelpunkt. Frieden IST demnach ein Zustand der Gerechtigkeit. Eine ungerechte Gesellschaft befindet sich automatisch im Unfrieden. Aus diesem gesellschaftlichen Unfrieden können aufgrund kleinster, in sich oft unbedeutender und kaum vorhersehbarer Vorkommnisse gewaltsame Dynamiken erwachsen, die sich bis hin zum Krieg steigern können.

Der Begriff der Gerechtigkeit ist mindestens so umstritten wie Krieg und Frieden. Hier ist nicht der Raum, unterschiedliche Positionen zu diskutieren. Zentral sowohl für die Soziallehre der katholischen Kirche als auch für den politischen Liberalismus ist die Verteilungsgerechtigkeit. Hier steht die faire Verteilung von Ressourcen im Mittelpunkt. Dies bedeutet nicht zwingend Gleichverteilung. Fairness wird historisch ererbte oder durch eigene Leistung erworbene Ansprüche berücksichtigen. Die empirische Konfliktforschung hat nachgewiesen, dass insbesondere „horizontale Ungleichheiten“ zwischen kulturell definierten Gruppen in einer Gesellschaft, wie z.B. Ethnien oder Religionsgemeinschaften, maßgeblich für das Ausbrechen innerstaatlicher Gewaltkonflikte sind. Nur eine faire Verteilung von Rohstoffen, ökonomischen Chancen und politischer Macht ermöglicht „positiven“ wie „negativen“ Frieden.

Gerechtigkeit und Frieden gehören zu den großen Verheißungen des Christentums. Letztlich haben sie eine eschatologische Qualität. Vollumfänglich sind Gerechtigkeit und Frieden in dieser Welt nicht möglich. Sie sind Teil der Jenseitshoffnung. Eine rein diesseitige Hoffnung auf Verwirklichung führt unweigerlich zu Utopien, die schnell in repressive Politik abgleiten. Den Menschen Gerechtigkeit und Frieden gewissermaßen von außen aufzuzwingen, ist wohl zum Scheitern verurteilt. Sie müssen gleichsam von innen her wachsen. Nicht umsonst zählt der Frieden nach Paulus zu den „Früchten des Heiligen Geistes“.

Das bedeutet freilich nicht, dass wir passiv oder resigniert abwarten sollen. Aktive Bemühungen sind notwendig, wie wir am Beispiel des Päpstlichen Rates „Iustitia et Pax“ sehen. Hier sind jedoch viel Detailarbeit und viel Geduld gefragt, wie die Entwicklungspolitik der letzten Jahrzehnte zeigt. Dennoch sollte die praktische oder akademische Arbeit „on the ground“ nicht dazu führen, dass der Blick gewissermaßen nur nach außen in die Welt und nach unten auf den Boden gerichtet bleibt. Wie der Hl. Augustinus ausgeführt hat, steht der politische und gesellschaftliche Frieden in einem viel größeren Kontext, bestehend aus dem inneren Frieden des einzelnen Menschen und dem Frieden der Menschen mit Gott.

Anders als die politische Moderne, die mit Thomas Hobbes‘ Vorstellung ihren Anfang nahm, dass der Naturzustand des Menschen ein „Krieg aller gegen aller“ sei, geht der Katholizismus mit Augustinus davon aus, dass der Naturzustand ein Zustand des Friedens ist, da die von Gott in die Existenz gesetzte Welt grundsätzlich gut ist. Trotz aller politischer und gesellschaftlicher Rückschritte, die wir zur Zeit augenscheinlich erleben, ist das ein erfreulich optimistischer Gedanke.

Dr. Christoph Trinn

Mitglied der Dominikanischen Laiengemeinschaft „Jordan von Sachsen“ zu Freiburg

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