Wer war schuld am Tod Jesu – Hinführung, Teil 2

Nur wenn eigene theologische und kirchlich verbreitete Aussagen kritisch überprüft werden, ist es glaubwürdig, Judenhass entgegenzutreten. In den Texten zur folgenden Reihe „Wer war schuld am Tod Jesu?“ wird dem G‘ttesmordvorwurf nachgegangen.


Zwecks Überprüfung dieses Vorwurfes werden in den Texten zunächst die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse in der römischen Provinz Judäa zur Zeit Jeschuas / Jesu benannt. Danach ist zu klären, warum vor allem die synoptischen Evangelien (nach Markus, Matthäus und Lukas) in ihrer Passionserzählung – dem römischen Zivilprozess unter Leitung des römischen Präfekten Pontius Pilatus vorgelagert – eine eigenständige jüdische Gerichtsverhandlung darstellten, in der Jeschua (hebr., gr. Jesus) verurteilt wird. Zu fragen ist, weshalb alle Evangelien die Schuld in Richtung der Juden schieben und zwar in der Reihenfolge ihrer Entstehung zwischen 70 (Markus) und 110 (Johannes) u.Ztr. nach und nach zunehmend deutlicher. Es ist unausweichlich, danach die Passionserzählungen in den zeitgeschichtlichen Entstehungszusammenhang der Evangelien samt zeitgenössischer religiöser und politischer Konflikte einzubetten.


Jenseits aller Motive und Absichten der Verfasserinnen der Evangelien gilt es, sich in die Sichtweise der Menschen hineinzuversetzen, die die Wirkung dieses G’ttesmordvorwurfes erlebt haben. Deshalb ist die Kontinuität des Kollektivvorwurfes, Jeschua / Jesus getötet zu haben, zu untersuchen. Denn er wirkte sich in der Auseinandersetzung zwischen Kirche und Synagoge folgenreich tragisch für die Zielscheibe des Judenhasses aus. Dieser G’ttesmordvorwurf hat bis heute – vor allem soweit Christinnen daran festhalten – eminente Bedeutung für das Verhältnis zueinander.


Mit der jährlichen Lesung der Passionserzählung nach Johannes in der Karfreitagsliturgie wird die Schuldfrage am Tode Jeschuas (hebräisch; griechisch Jesu) zumindest unmissverständlich neu gestellt und für viele Zuhörer*innen eindeutig beantwortet. Denn es ist das einzige Evangelium das – im Unterschied zu den Synoptikern, die in der Logik der kursorischen Leseordnung auch zur Auswahl stehen könnten – behauptet, „die“ Juden hätten selbst Jeschua / Jesu ans Kreuz genagelt.


Hr. Norbert C. Schmeiser

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