„The Other Sisters“

Der Erforschung von Frauen, die im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Westeuropa (c.a. 800–1500) Formen des religiösen Lebens außerhalb des Klosters suchten und praktizierten, widmet sich das Projekt „The Other Sisters“. Es will herkömmliche Narrative (Erzählmuster) der traditionellen Geschichtsschreibung über diese Frauen überdenken. Dazu zählt deren Darstellung als marginales Phänomen. Diese Sichtweise hängt mit der Vorstellung zusammen, das Leben vormoderner Frauen hätte sich nur zwischen den zwei Alternativen Ehe oder Kloster („aut maritus aut murus“) abgespielt. Durch dieses Konstrukt werden Frauen in zwei Gruppen aufgeteilt und ihren gelebten Erfahrungen werden künstliche Kategorien auferlegt. Demgegenüber spielten viele nicht-klösterliche Ordensfrauen in religiöser und sozialer Hinsicht eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft. Durch diese neue Sichtweise werden ihre bisherige Klassifizierung samt Terminologie problematisiert – auch im Zusammenhang mit der Übersetzung in verschiedene Sprachen. Zudem werden Organisation und Selbstidentifikation bestimmter Gruppen, die Suche dieser Frauen nach Identität im Umfeld neuer Ordnungen sowie Hinweise auf kulturellen Austausch und Ähnlichkeiten zwischen unterschiedlichen Gruppen sowie Übergänge zwischen ihnen und zu formellen institutionellen Gemeinschaften im Laufe der Zeit untersucht. Zu diesen Frauen gehörten unter anderem Beginen, Tertiärinnen, Büßerinnen, Einsiedlerinnen, Oblatinnen und weltliche Stiftsdamen. Viele von ihnen passten nicht genau in die institutionellen Parameter. Sie waren besonders zahlreich in Städten und kamen aus unterschiedlichen sozialen Hintergründen – im Gegensatz zu ihren Klosterschwestern, die überwiegend aus adligen und patrizischen Verhältnissen stammten.


Die neue Definition und Kontextualisierung der Erfahrungen dieser Frauen ermöglicht es, das historiografische Standardbild zu korrigieren. Dadurch trägt das Forschungsprojekt zur Klärung der Stellung religiöser Frauen in Kirche und Gesellschaft bei.


Hr. Norbert C. Schmeiser OP

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