Rosenkranzmonat

dominicanrosary

Thomas von Aquin (+ 1274)

Aus der Auslegung über den Englischen Gruß

Maria war voll der Gnade hinsichtlich der Ausgießung der Gnade auf alle Menschen

„Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,28f). In dieser Begrüßung ist dreierlei enthalten. Der Engel sagt: „Gegrüßet seist du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bis gebenedeit unter den Frauen.“ Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, sagt: „Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). Die Kirche fügt hinzu: „Maria.“ Denn der Engel sagt nicht: „Gegrüßet seist du, Maria“, sondern: „Gegrüßet seist du, voll der Gnade.“  Und dieser Name, nämlich Maria, passt zu den Worten des Engels, wie sich herausstellen wird.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es von Alters her etwas Großes war, wenn Engel den Menschen erschienen; und wenn Menschen ihnen Achtung erwiesen, wurde das für sehr lobenswert gehalten.  Daher wurde auch zum Lobe Abrahams aufgeschrieben, dass er Engel gastfreundlich aufnahm und ihnen Achtung erwies. Dass aber ein Engel einem Menschen Achtung erwies, war noch nie gehört worden, nur seit der Engel die selige Jungfrau begrüßte und ehrerbietig sagte: „Sei gegrüßt!“

Maria war voll der Gnade hinsichtlich der Einwirkung der Seele auf das Fleisch. Denn es ist schon etwas Großes in den Heiligen, so viel an Gnade zu haben, dass sie die Seele heiligt; aber die Seele der seligen Jungfrau war in solcher Weise erfüllt, dass aus ihr die Gnade in das Fleisch überströmte, und sie von da her den Sohn Gottes empfangen konnte. Und daher sagt Hugo von St. Victor: „Weil in ihrem Herzen die Liebe des Heiligen Geistes in einzigartiger Weise brannte, bewirkte er so Wunderbares in ihrem Fleisch, dass aus ihr der Gottmensch geboren werden konnte: Denn das Kind, das sie erwartet ist vom Heiligen Geist“ (vgl. Mt 1,20).

Maria ist voll der Gnade hinsichtlich der Ausgießung  der Gnade auf alle Menschen. Es ist nämlich erhaben für jeden Heiligen, wenn er so viel Gnade hat, dass sie für ihn zu seinem Heil genügt; aber noch erhabener wäre es, wenn er eine so große Gnade hätte, dass sie für das Heil vieler Menschen ausreichte. Das Erhabenste aber wäre, wenn er die Gnade in einem Maße besässe, dass sie ausreichte für das Heil aller Menschen in der Welt. Das ist der Fall bei Christus und der seligen Jungfrau. Denn in jeder Gefahr kannst du das Heil erlangen durch die ruhmreiche Jungfrau. Daher wird gesagt: „Tausend Schilde hängen an ihr“ (Hld 4,4), d.h. Heilmittel gegen Gefahren. Ferner kannst du sie für jedes Werk der Tugend als Beistand haben. Daher sagt sie selbst: „In mir ist alle Hoffnung auf Leben und Tugend“ (Sir 24,25 (Vg)). Sie ist also voll der Gnade und übertrifft die Engel in der Fülle der Gnade. Deswegen wird sie zutreffend Maria genannt, was bedeutet: die in sich Erleuchtete. „Er wird deine Seele mit Glanz erfüllen“ (Jes 58,11 (Vg)), und sie ist die Leuchte für andere, und zwar für die ganzeWelt; von daher wird sie mir der Sonne und dem Mond verglichen.

Das Wort „Der Herr ist mit dir“ ist das vortrefflichste Wort, das ihr gesagt werden kann. Der Engel ehrt die selige Jungfrau wegen ihrer Würde, da sie ja die Mutter des Herrn und daher selbst Herrin ist. Deshalb passt zu ihr der Name Maria, der in der syrischen Sprache „Herrin“ bedeutet.

Sie übertrifft die Engel auch in der Reinheit. Die selige Jungfrau war nicht nur in sich selbst rein, sondern sie ermöglichte auch anderen die Reinheit. Sie selbst nämlich war in höchstem Maße rein, auch was die Schuld betrifft, da sie weder der Erbsünde, noch einer Todsünde, noch einer leichten Sünde verfiel. Ferner steht sie über den Engeln durch ihr Freisein von der Strafe und allem Fluch. Daher heisst es „gesegnet unter den Frauen“, weil sie selbst allein dem Fluch standhielt, die Segnung brachte und das Tor zum Paradies öffnete. Daher passt zu ihr der Name Maria, der „Stern des Meeres“ bedeutet; denn, wie durch den Stern des Meeres die Seefahrer in den Hafen geführt werden, so werden die Christen durch Maria zur Herrlichkeit geführt.

Aus dem Proprium des Predigerordens

 

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