Viele Christen wollen dem Staat Israel seine Existenzberechtigung nicht absprechen. Darum verwenden sie als historische Bezeichnung für das Land an der südöstlichen Mittelmeerküste zur Zeit Jesu wie im Matthäusevangelium 2,1 den zeitgenössischen Ausdruck „Provinz Judäa/Judaia“. Diesen Namen hatte diese Großregion südlich der römischen Provinz Syria nach deren Eroberung durch Pompeius 63 v.d.Z. erhalten. Zum Ende der Regierungszeit des von Rom eingesetzten Königs Herodes I. (37-4 v.d.Z.) wurde Jesus geboren. Während dieser Zeit hieß dieses Gebiet weiterhin „Provinz Judäa/Judaia“. Das galt auch für die nachfolgende Zeit, als dieses Herrschaftsgebiet unter seinen Söhnen aufgeteilt wurde.
Eine römische Provinz „Palaestina“ entstand erst mit der Teilung der Provinz „Syria Palaestina“ 193/194 n.d.Z. in die Provinzen „Syria Coele“, „Syria Phoenice“ und eben „Palaestina“. Kaiser Hadrian hatte die Provinz Judäa“ nach dem Bar Kochba Aufstand (132-135 n.d.Z.) mehr als 100 Jahre nach dem Tod Jesu – in „Syria Palaestina“ umbenannt. Während des 4. und 5. Jahrhunderts wurde die Provinz „Syria Palaestina“ weiter geteilt, 614-628 n.d.Z. durch das persische Sas(s)anidenreich erobert und endete damit.
Wenn sich in antiken Schriften vor 63 v.d.Z. die Bezeichnung „Palästina“ befindet, kann dies selbstredend nicht die Bezeichnung dieses Gebietes als „Palästina“ zur Lebenszeit Jesu belegen.
Es ist mithin historisch unpassend, diese Großregion schon für die Lebenszeit Jesu als „Palästina“ zu bezeichnen. Zudem kann (ungewollt) unterschwellig der Eindruck entstehen, dieses Gebiet sei schon immer „Palästina“ gewesen. Das wäre eine fatale theologisch-politische Positionierung, die derartiger palästinensischer Propaganda auf den Leim geht – vor allem dann, wenn – historisch falsch – isolierte Aspekte der heutigen politischen Verhältnisse verallgemeinert und rückdatiert werden. Denn die historische römische Provinz hat mit dem heutigen Palästina und seinen politischen Implikationen nichts zu tun. Das heutige Palästina und das palästinensische Volk sind Resultat der geopolitischen Ambitionen arabischer Oligarchien seit dem 20 Jahrhundert – vor allem aber ihrer Nähe zur deutschen Regierung von 1933 bis 1945 und dem damit einhergehendem Antisemitismus, der nicht zwingend aus dem Islam hervorgehen muss. Die arabische Bevölkerung im britischen Mandatsgebiet wurde nach Gründung des Staates Israel 1948 plötzlich als „palästinensisch“ bezeichnet. Ihr wurde eine entsprechende Identität zugeschrieben – vor allem nach der Verhinderung der vorgeschlagenen Teilung des Gebietes, welche von Israel akzeptiert worden war, und nach dem sofortigen Angriff auf den erst 24 Stunden alten Staat. Weil dadurch die Grundlagen für die heutigen Probleme in dieser scharfen Form überhaupt erst gelegt wurden, ist es nicht belanglos, wie Christen das Gebiet bezeichnen, in dem Jesus lebte. Darum sind die Titel der Karten sowie Bezeichnungen in der Zeittafel zur biblischen Geschichte und Erläuterungen relevanter Bibelstellen wie zu Lk 1,15 in den Ausgaben der Einheitsübersetzung entsprechend zu ändern. Sonst sind Beteuerungen gegenüber Israel belanglos.
(Dieser Text beruht auf einem Leserbrief, der am 5.10.2023 in der Deutschen Tagespost erschien.)
Herr N.C. Schmeiser OP