Das Wort vom Weizenkorn

Letztes Abendmahl und Todesangst Christi im Garten Gethsemane, Chorrelief Notre Dame de Paris

Das Wort Jesu vom Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt, wenn es aber stirbt, reiche Frucht bringt – dieses Wort erhält seine eigentliche Bildkraft von Ostern her: Jesus selbst ist das Weizenkorn, er gibt sein Leben für die Vielen. Aus dieser Hingabe bricht neues Leben auf, reift junges Korn, wird Brot in den Händen von vielen, Brot für das Leben der Welt.

Das Wort vom Weizenkorn ist auch zum geheimnisvollen Gesetz des wahren Lebens der Kirche geworden. Sie weiß sich einbezogen in das Leiden und Sterben ihres Herrn und Meisters . Nachfolge Jesu heißt Nachfolge in der Übernahme des Kreuzes. Auch erkennt sich heute die Kirche wieder als eine Kirche der Märtyrer. Wir dürfen darum nicht – auf den weichen Polstern, auf denen wir sitzen – die vielen vergessen, die um ihres Glaubens willen in den Gefängnissen leiden, die vor ihren Herodes, ihren Kajaphas, ihren Pilatus geschleppt werden oder auf andere Weise in ihren Menschenrechten behindert sind. Die Kirche nennt sie ihre edelsten Glieder, sie, für die das Kreuz kein bloßer Schmuck im Wohnzimmer oder am Hals bedeutet, vielmehr raue, schmerzhafte Wirklichkeit.

Aus dem Kreuz Christi ist die Kirche hervorgegangen, unter dem Kreuz ist sie gewachsen, im Kreuz liegt auch heute ihre Hoffnung. Die einzige Hoffnung, die in dieser Welt von Blut und Tränen überhaupt noch Bestand hat, beruht darauf, dass Gottes Liebe stärker ist als die Bosheit der Menschen und als das Leid das sie erdulden.

Aus: Georg Moser ( 1975-1988 Bischof von Rottenburg-Stuttgart): Täglich Grund zur Hoffnung, Herder 1993.

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