Nun ist doch heute noch einmal ein Beitrag gekommen, nämlich aus Litauen, der beschreibt, wie die litauischen Laiendominikaner in das Weihnachtsgeheimnis eintreten.
Von Frau Monika Kareniauskaité OP
Eine Zeit der Paradoxe – ein Paradigmenwechsel: Der litauische laiendominikanische Art in das Weihnachtsmysterium einzutreten
„Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil Gottes schauen.“ (Lk 3, 4-6)
Wie uns das Wort Gottes in diesem Zitat aus dem hl. Evangelium zeigt, schafft der Advent Zeit und Raum einer ganz besonderen Art für die litauische Dominikanische Laiengemeinschaft. Dies ist eine Zeit der Paradoxe; dies ist eine Zeit der Umwandlung.
Litauische katholische Traditionen unterscheiden sich von denen andere europäischer Nationen. Wenn ihr unsere Großeltern oder Urgroßeltern fragt, wie sie den Advent zum Beispiel in der Zeit zwischen den Kriegen in Litauen erlebt haben, werdet ihr keine Geschichten von Freude über Weihnachtsbäume, Weihnachtsbeleuchtung und Weihnachtsmärkte schon vom ersten Dezembertag an hören. Nein – der litauische Advent, von alten Leuten manchmal sogar als „kleine Fastenzeit“ bezeichnet, war traditionell eine Zeit des Fastens, des inneren Friedens, der Stille, des tiefen Gebets, der Buße und der Kontemplation. Er war nicht der Beginn des Weihnachtsfests, sondern eine Zeit der inneren Umkehr, eine zeit, die Häuser, die Herzen und Seelen auf das Weihnachtsmysterium vorzubereiten.
Litauen – ein nordisches Land, in dem der Dezember und der Advent meistens Sturm und Schnee mit sich bringen – war nie ein Wüstenland. Deshalb mussten wir zurückhaltende und manchmal kühle nordöstliche Menschen einen Weg finden, uns eine innere Wüste zu schaffen. Und uns dort vor der glitzernden und verführerischen äußeren Welt zu verbergen, um zu erfahren, was wahre innere Umwandlung bedeutet.
Andererseits ist Litauen wirklich ein Land der Paradoxe. Während unsere protestantischen Nachbarländer Lettland, Estland und Schweden ihren asketischen Geist durch bescheidene Wohnungen und einfachen Lebensstil ausdrücken, haben wir, verführt durch die eleganten Italiener, unsere Kirchen und Paläste in expressiven Architekturformen des Barock gebaut, von Gold und Silber glänzend. Kunst, Theater, Bewunderung der Schönheit, Leidenschaft für Eleganz gingen traditionell Hand in Hand mit innerer Kontemplation – ein tief verwurzeltes Paradox, das den besonderen Charakter litauischem Katholizismus und litauischer Mentalität herausbildete. Deshalb geht das Bestreben uns – auf eine gewissermaßen paradoxen Art – in die innere Wüste zu begeben, immer Hand in Hand mit aktiver Teilnahme an den weltlichen Angelegenheiten: aktive Taten und Werke der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit.
Ein Beispiel dafür ist der Besuch eines sogenannten sozialen Fürsorgezentrums, wo elternlose oder verlassenen Kinder ein neues Heim gefunden haben. Dort flechten wir zusammen Adventskränze. Auch für unsere schöne Barockkirche macht unsere Gemeinschaft einen Adventskranz – ebenso wie Ingwerplätzchen als Geschenke für unsere Pfarrgemeinde am hl. Abend.
Unsere traditionelle litauische Leidenschaft fürKunst und Theater findet auch ihren Ausdruck in den litauischen laiendominikanischen Adventsgebräuchen. Familien mit Kindern bereiten ein selbst erdachtes Theaterstück vor. Künstler organisieren Wohltätigkeitsauktionen, die „Der Korridor“ genannt werden, wo sie ihre besten Gemälde und Skulpturen anbieten. Familien und Kinder singen traditionelle Weihnachtslieder.
Aber das wesentlichste Ereignis des Advents sind geistliche Exerzitien für die ganze litauische Dominikanische Laiengemeinschaft : eine Zeit der Stille, des Friedens und der Kontemplation.
Unsere bisherige Erfahrung zeigt uns dass die Verbindung dieser beiden Pole – innere Wüste und äußere Aktivität – ein fruchtbarer Weg der inneren Umkehr ist. In der Adventszeit stellt der Heilige Geist unsere herzen wieder her und wandelt sie um, eröffnet neue Perspektiven, neue Bedeutungen und verwandelt unsere innere Welt in etwas neues – einen Ort, an dem die Realität unserer schönen dominikanischen Barockkirche nicht mehr im Widerspruch steht zur Realität einer armen Krippe (dieses bescheidenen aber gesegneten Geburtsorts unseres Herrn Jesus).
Monika Kareniauskaitė OP, Fraternity of St. James,Vilnius