Österlicher Tabernakel der Erde

Ausgerechnet ein solches Grab, vor dessen Eingang zudem ein Stein gewälzt ist, steht im Mittelpunkt des Evangeliums (Mk 16, 1-8), welches die Dunkelheit der heiligen Osternacht erhellen soll. Und ausgerechnet dieses Grab soll uns froh machen! Für Maria von Magdala, für Maria, die Mutter des Jakobus, und für Salome ist dieses Grab mit Recht vielmehr Anlass zu großer Trauer. Diese drei Frauen kommen mit wohlriechenden Ölen zum Grab, um den Leichnam Jesu zu salben. Und sie haben keine Hoffnung mehr, vielmehr nur noch die eine Sorge, wer ihnen wohl noch den schweren Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen wird. Mit ihrem Verhalten bestätigen sie geradezu den definitiv tödlichen Charakter des Grabes Jesu.

Dass sich diese Frauen aber getäuscht haben, dass sie von ihren hoffnungslosen Selbsttäuschungen enttäuscht worden sind, darin liegt die frohe Nachricht der heiligen Osternacht. Denn das Grab, zu dem die drei Frauen gehen, wird sich als ein ganz besonderes Grab erweisen, nämlich ein Grab, das nicht mehr ein Signal von Trauer und Trostlosigkeit ist, sondern vielmehr ein Fanal von Trost und Freude. Dieses Grab ist kein Zeichen des Todes und der Vergeblichkeit mehr: es wird vielmehr zum Symbol für ein neues Leben und aufgebrochene Zukunft. Diesen frohen Charakter hat dieses Grab freilich nicht aus eigener Kraft, sondern allein von derjenigen Person her, die darin liegt: Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

Jesus, der Sohn Gottes und des Himmels, ist durch dieses Grab zugleich ganz und gar Sohn der Menschen und der Erde geworden. Diese Erde hat ihn drei volle Tage  lang in ihren ungeheuren Schlund aufgenommen. Und wie alle anderen Menschen ist auch dieser Sohn des Himmels und der Erde begraben worden. So ernst wollte Gott selbst offenbar die Menschwerdung seines Sohnes vollzogen wissen, dass er ihm auch die letzte Konsequenz unseres Menschseins – die Grablegung – nicht ersparte. Denn Gott hat seinen Sohn nicht nur auf unsere Erde gesandt. Er hat ihn vielmehr die kälteste Dunkelheit, die es auf unserer Erde geben kann, auskundschaften lassen und ihn dazu auch in die verlassenste Einsamkeit des Grabes gesandt, um dadurch den Machtbereich des Todes selber zu betreten und zu erleiden.

Die Grablegung Jesu erweist sich deshalb als der radikalste Tiefpunkt der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Doch genau diese Grablegung und dieses Begräbnis Jesu kommt einer gewaltigen Explosion des Lebens Gottes gleich und verwandelt von Grund auf den scheinbar endgültig tödlichen Charakter auch unserer menschlichen Gräber auf unserer Erde.

Kurt Kardinal Koch. Aus einer Meditation

 

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