Das Wort Gottes verkünden – ein Interview mit Melanie Delpech

erschienen am 26. Februar im Konradsblatt, der Wochenzeitung für das Erzbistum Freiburg: 

Am 21. Januar ging das Jubiläumsjahr des Dominikanerordens mit einem feierlichen Gottesdienst in der römischen Lateranbasilika zu Ende.- Reguläre Mitglieder des seit 800 Jahren bestehenden Predigerordens sind auch Laien. Über diese Form des Ordenslebens sprach Norbert Schmeiser, Gymnasiallehrer in Bad Säckingen, mit Melanie Delpech, der in Freibug ansässigen Präsidentin der Dominikanischen Laiengemeinschaften in der Provinz des hl. Albert von Süddeutschland und Österreich, wie dieser Zweig der Dominikanischen Familie genannt wird.

Konradsblatt: Frau Delpech, beginnen wir mit Ihrer Person, bitte stellen Sie sich kurz vor

Melanie Delpech: Seit Januar 2012 bin ich Präsidentin der Dominikanischen Laiengemeinschaften (DLG) in der süddeutsch-österreichischen Provinz des Predigerordens. Dies ist meine zweite Amtsperiode. Von Beruf her bin ich Haushälterin bei einem Priester des Erzbistums Freiburg. Studiert habe ich in England, an der Loughborough Universität, Soziologie mit Sozial – und Wirtschaftsgeschichte.

Wie leben Sie als Mitglied der Dominikanischen Laiengemeinschaft?

 Zuerst lebe ich ein Leben als Ordensmitglied außerhalb eines Konventes. Konkret heißt dies für mich, dass ich am täglichen Chorgebet der Brüder teilnehme und, so gut wie es geht, auch täglich zur Eucharistie gehe und eine Zeit des kontemplativen Gebets einhalte.

Diese Gebetszeiten unterstützen das tägliche Apostolat. Das Apostolat beinhaltet mitunter, eine wöchentlich stattfindende Bibelgruppe zu leiten, im Pastoralteam des Konvents mitzuarbeiten und an die „Ränder“ der Gesellschaft zu gehen: in Alten- und Pflegeheime.

Laien als volle Mitglieder des Predigerordens. Ist das nicht ungewöhnlich?

 Schon als unser Ordensgründer Dominikus zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Südfrankreich predigte, wurde er von ledigen und verheirateten Frauen und Männern unterstützt. Nach seinem Tod förderten Laien die Predigerbrüder. Die Laien schlossen sich zusammen unter anderem als „Brüder und Schwestern von der Buße des heiligen Dominikus“, einem Vorläufer der Dominikanischen Laiengemeinschaften. Anfang des 15. Jahrhunderts bekamen sie eine eigene Regel. Sie stellen einen Zweig des Predigerordens dar. Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils erfolgte eine Erneuerung. Bis heute entschließen sich Frauen und Männer, ob verheiratet, geschieden oder ledig, sich in der Nachfolge Christi vom Charisma des Dominikus leiten zu lassen. Sie kommen aus verschiedenen Generationen, Nationen, Lebensbereichen und Berufsgruppen – von der Haushälterin bis zum Universitätsprofessor.

Was bedeutet es, Mitglied der Dominikanischen Laiengemeinschaften zu sein?

 Die dominikanischen Laien leben ihren Glauben in ihrem konkreten Umfeld: in Familie, Beruf, Kirche und Gesellschaft. Dominikanisches Leben fußt auf den vier Säulen Gebet, Studium, Gemeinschaft und Verkündigung. Wir pflegen ein intensives Gebetsleben, d.h. jeder einzelne betet nach seinen Möglichkeiten am Morgen, Mittag und Abend das Stundengebet der Kirche und besucht die Eucharistiefeier. Dadurch werden wir uns auch der Verbundenheit mit der Weltkirche und dem Orden bewusst. Wer in der Nähe eines dominikanischen Konvents lebt, schließt sich dazu den Brüdern oder Schwestern an.

Fahrt nach Köln: in der Krypta der Dominikanerkirche St.Andreas befindet sich das Grab des hl. Albert des Großen.

Was heißt „Studium“ in dem Zusammenhang? Wird ein akademisches Studium vorausgesetzt?

 Nein, vielmehr die Bereitschaft zu stetiger Weiterbildung im Glauben: dazu zählt sowohl die Theologie – vor allem im dominikanischen Geist – als auch die Entwicklung der Gesellschaft, deren Teil wir Christen sind und auf die wir reagieren müssen. Das Studium vollzieht sich sowohl in der Lektüre jedes Einzelnen als auch bei unseren Treffen in den Einzelgruppen und auf Provinzebene.

Was geschieht bei den Zusammenkünften?

 Wir beten das Stundengebet und feiern gemeinsam Gottesdienst, lesen in der Bibel und hören Vorträge zu aktuellen geistlichen, theologischen und für die Gesellschaft bedeutsamen Themen. Anschließend sprechen wir darüber und sitzen gesellig zusammen. Gebet, Gemeinschaft und Studium bereiten uns für die Verkündigung vor – die eigentliche Sendung des Dominikanerordens. Denn Dominikus gründete den Predigerorden vor 800 Jahren als Antwort auf die große Sinn- und Glaubenskrise vieler Zeitgenossen.

Was verstehen Sie unter Verkündigung? Sie sind doch Laien. In der Messe ist die Auslegung der Schrift Priestern und Diakonen vorbehalten…

 Predigt umfasst für den Orden schon immer jegliche Verkündigung des Glaubens: durch das Wort des Vortrags und des Gespräches sowie durch das Beispiel gelebter Nächstenliebe und Armut. So bringt jeder Laie in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Situationen, im Alltag, am Arbeitsplatz genauso wie in der Freizeit und in gesellschaftlichen Verpflichtungen das Wort Gottes zu Gehör. In der Vergangenheit gab es verschiedene Arten, wie Laiendominikaner diese Aufgabe wahrgenommen haben.

Können Sie Beispiele namhafter Persönlichkeiten dafür nennen?

 Aldo Moro (geboren 1916), der 1978 von den Roten Brigaden ermordet wurde, setzte sich als italienischer Politiker dafür ein, dass alle Italiener vom wirtschafltichen Aufschwung profitieren; Pier Frassati (1901-1925) unterstützte die Armen seiner Heimatstadt Turin, er wurde selig gesprochen und war mehrfach Patron der Weltjugendtage. Die norwegische Literaturnobelpreisträgerin Sigrid Undset (1882-1949) schrieb in ihren Romanen über die Kraft der Liebe und des Glaubens. Die Mehrheit von uns sind ganz normale Christen, so auch bei uns in der Gruppe in Freiburg.

Mitglieder Freiburger Gruppe „Jordan von Sachsen“

Wie ist die Situation der Dominikanischen Gemeinschaft im Erzbistum Freiburg?

Unsere Mitglieder sind auf verschiedene Art und Weise in der Verkündigung tätig, manche ehrenamtlich in einer Pfarrgemeinde, andere hauptberuflich etwa als Gemeindereferent oder Religionslehrer und alle in ihrem Alltagsleben. Wir haben zehn Mitglieder aus dem ganzen Erzbistum von Heidelberg bis Waldshut. Unser Ort der „Sammlung“ ist die Gemeinschaft der Dominikaner St. Martin in Freiburg. Wir haben uns nach dem zweiten Ordensmeister „Jordan von Sachsen“ benannt.

Wie wächst man in eine solche Gemeinschaft hinein?

 Nach einem Hineinschnuppern in die Gruppe, was jederzeit möglich ist, steht eine Phase des gegenseitigen Kennenlernens. Die Einführungszeit von einem Jahr wird individuell nach den Voraussetzungen des Bewerbers gestaltet. Darin stehen wichtige Gestalten der dominikanischen Familie wie Dominikus, Thomas von Aquin und Katharina von Siena auf dem Programm. Zudem wird das Gebetsleben vertieft, indem der Kandidat das Stundengebet, die geistliche Schriftlesung und Meditation einübt. Er nimmt an den Treffen der Gruppe teil und wird sich seiner Verkündigungsaufgaben bewusst. Nach einem Jahr legt er ein einjähriges Versprechen ab, dann kann er eines für 3 Jahre ablegen und danach auf Lebenszeit.

Was versprechen die Mitglieder der Laiengemeinschaft?

 Sie verpflichten sich, ihr Leben als Christen im Geist des hl. Dominikus zu führen und es nach der Regel für Laien auszurichten. Durch dieses Versprechen werden sie dem Predigerorden eingegliedert und Mitglied einer internationalen Ordensfamilie. Es ist also ein Zeichen für die eigenständige und vollwertige Mitgliedschaft im Dominikanerorden.

Melanie Delpech überreicht einem Kandidaten zur Aufnahme in das Einführungsjahr die Regel

Welche Beziehung haben die Laiendominikaner als Teil des Ordens zu den Brüdern und Schwestern in den Klöstern?

 Die Laiengruppen stehen in enger Beziehung zu Klöstern von Dominikanerinnen oder Dominikanern. Eine Schwester oder ein Bruder begleiten sie geistlich und theologisch. Außerdem ist auf der Provinzebene ein Dominikaner für uns bestellt, der Provinzpromotor genannt wird.

Wer leitet die Dominikanische Laiengemeinschaften?

 Der Provinzrat der Laien und das von ihm gewählten Präsidium leitet die Geschicke der Gemeinschaften in der Provinz; er fördert und koordiniert die einzelnen Gruppen; er vertritt alle in den Orden aufgenommenen Mitglieder; er ist Ansprechpartner des Ordensmeisters. Er stellt Anträge an das Generalkapitel bzw. das Provinzkapitel des Ordens. Er entsendet außerdem Delegierte zu den europäischen und internationalen Treffen der Dominikanischen Laien. Der Provinzrat wird vom Provinzkapitel gewählt, das aus Delegierten der Gruppen und Einzelmitgliedern besteht.

Welche Aufgaben haben Sie als Präsidentin?

 Die Aufgaben sind sehr vielfältig. Ich berufe die Sitzungen des Provinzrats und Präsidiums ein, leite sie und führe die Beschlüsse aus, pflege die Kontakte mit den Gruppenleitern, kümmere mich um das Leben in den Gemeinschaften und wache darüber, dass die Ämter beizeiten besetzt und Wahlen durchgeführt werden. Im Rahmen von Gottesdiensten nehme ich in manchen Fällen Kandidaten in das Einführungsjahr auf und die Versprechen bzw. deren Erneuerung entgegen. Noch dazu vertrete ich die Gruppen nach außen und lege am Ende meiner Amtszeit Rechenschaft über meine Amtsführung ab.

Was muss jemand mitbringen, der sich für eine Mitgliedschaft interessiert?

 Jeder katholische Christ kann in eine Dominikanische Laiengemeinschaft aufgenommen werden, der nach ihrer Regel leben will. Darin heißt es: „Jedes Mitglied des Dominikanerordens muss fähig sein, das Wort Gottes zu verkünden“. Neben Interesse an geistlichem Leben und der geistigen Auseinandersetzung mit dem Glauben und unserer Zeit sollte die Bereitschaft vorhanden sein, sich realistisch und aktiv neben Beruf und Familie in eine Gruppe vor Ort einzubringen.

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