„Frieden ist kein Produkt, sondern immer ein Prozess“
Bamberg. (bbk) „Der Dialog ist nötig und ist notwendig“, stellte Erzbischof Ludwig Schick am Samstag bei einem Podiumsgespräch im Bistumshaus St. Otto fest. Es ging um den christlich-islamischen Austausch unter der Leitfrage „Wie können wir einen Aufbruch zum Frieden erreichen?“
Gibt es ihn schon, diesen Frieden? Kann er überhaupt erreicht werden? Wie unterschiedlich oder (un)vereinbar sind Christentum und Islam? Und welche Rolle spielt der IS bei unserer Wahrnehmung des Islam? Derartige Fragen wurden diskutiert.
„Wir brauchen ein besseres Verhältnis der Religionen untereinander“, stellte Schick klar. Besonders auch zwischen Christen und Muslimen. Zum Interreligiösen Dialog gebe es dabei keine Alternative: Entweder rede man miteinander und wähle den Weg des Friedens und der Versöhnung – oder man bekriege einander. Der Bamberger Oberhirte sprach sich vehement für den Frieden aus. Jedoch sei dieser „kein Produkt, sondern immer ein Prozess.“
Das Podiumsgespräch war Teil des Studientages „Herausforderung Islam“. Dazu hatte die Dominikanische Laiengemeinschaft Bamberg um Präsidentin Marion Krüger-Hundrup in das Bistumshaus St. Otto geladen. Zu der Frage: „Wie können wir einen neuen Aufbruch zum Frieden erreichen?“ sprachen Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Professor Dr. Reza Hajatpour (Lehrstuhl für Islamisch-Religiöse Studien an der Universität Erlangen), Professor Dr. Patrick Franke (Lehrstuhl für Islamwissenschaften an der Universität Bamberg) und Pfarrer Konrad Hahn, Islambeauftragter a.D. der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Georges-Anawati-Stiftung.
von links:
Pfarrer Konrad Hahn, Professor Dr. Patrick Franke, Präsidentin der DLG Bamberg Marion Krüger-Hundrup, Erzbischof Ludwig Schick, Professor Dr. Reza Hajatpour
Der Friede zwischen den Religionen sei möglich, meinte Schick. Alle Menschen seien geschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis: „Deshalb sind wir auch befähigt, uns so zu verhalten, wie es Gott will – und Gott will Frieden, Versöhnung und Liebe.“ Es brauche einen Dialog der Wahrheit und der Liebe; beides sei wichtig.
Mit Wahrheit meinte Schick auch, dass die Historie in den Dialog einbezogen werden müsse. „Wir müssen sie ansehen. Auch wenn sie noch so schlimm und tragisch ist.“ Ein Dialog der Liebe könne Dinge um des Friedens willen zeitweise beiseite lassen. Aber wenn es ein Dialog der Wahrheit sein solle, dann könne dieser nichts verleugnen. Auch müsse über Krieg gegen Ungläubige und das Recht auf Religionsfreiheit gesprochen werden. Der iranstämmige Islamwissenschaftler Reza Hajatpour stimmte Erzbischof Schick zu: „Frieden setzt die Anerkennung der Freiheit der anderen voraus.“
Moderatorin Marion Krüger-Hundrup fragte nach, ob ein Dialog auf religiöser Ebene – nicht nur auf politisch-sozialer – überhaupt machbar sei. Pfarrer Konrad Hahn meinte dazu, man könnte diese Eben nur schwer trennen. Der Islam sei wie das Christentum eine Art ganzheitlicher Lebensentwurf. Aber: „Dabei ist wichtig, dass wir wissen, dass göttliche Gebote keine innerweltliche Gerichtsbarkeit haben.“
Massiv störe die derzeitige „Großwetterlage“ den Dialog, meinte Schick mit Blick auf die Gräueltaten des IS. Er wünsche sich, dass höchste muslimische Institutionen ihre Deutungshoheit mehr nutzten und deutlicher verurteilten, was IS oder Boko Haram anrichten. Generell wünsche er sich, dass sich „Muslime stärker zur Trennung von Kirche und Staat bekennen“. Weg von einem Islamischen Staat, in dem Kirchenrecht allgemeingültig ist. Muslime sollten die Gesellschaft immer mitbestimmten, „aber es kann nicht sein, dass die Scharia die Gesetzgebung bestimmt“.
Hundrup fragte erneut kritisch nach: Ist der Islam als Gesellschaftsordnung kompatibel mit einer pluralistischen, christlich geprägten Gesellschaft wie der deutschen? Hajatpour erwiderte, dass der Islam sich stetig entwickele und „viele Gesichter habe“. Es gebe nicht den einen Islam, sondern unterschiedliche Ausprägungen etwa in Arabien, dem Iran und der Türkei. Als Professor an der Uni Erlangen sehe er tagtäglich Muslime, die ihre Religion „sehr gut mit dem Pluralismus der hiesigen Gesellschaft in Einklang bringen und den Dialog führen, um den es heute geht“. Patrick Franke stimmte zu, dass „sehr viele der Muslime, die ich kenne, mit dem deutschen Gesellschaftsmodell gut zurechtkommen“. Die Integration sei zu einem „nicht unwesentlichen Teil gelungen“.
Erzbischof Ludwig Schick ist nicht nur Bambergs Oberhirte, sondern auch Leiter der Kommission Weltkirche in der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Position reist er international und kommt mit Vertretern aller Kirchen zusammen. Eine der Aufgaben der Weltkirche ist, den interreligiösen Dialog voranzubringen. Schick verwies auf Publikationen und Veranstaltungen der Kommission Weltkirche zu dem Thema. „Wir sind in diesem Dialog drin“, stellte er fest.
Vor dem Podiumsgespräch referierten der Bamberger Islamwissenschaftler Patrick Franke über „Gemeinsamkeiten und Differenzen. Die Geschichte christlich-islamischer Beziehungen“. Anschließend beantwortete Professor Reza Hajatpour, Lehrstuhl für Islamisch-Religiöse Studien mit systematischem Schwerpunkt (Universität Erlangen-Nürnberg), die Frage „Ist der Koran wörtlich zu nehmen? Göttliche Offenbarung und Menschenwort“.
Konrad Hahn leitete in die Praxis über: „Wie kann der christlich-islamische Dialog hierzulande geführt werden? Möglichkeiten und Zumutungen der Integration von Muslimen“.
Domkapitular Peter Wünsche, Pfarrerin Susanne Wittmann-Schlechtweg, Rabbinerin Antje Yael Deusel und Imam Coskun Sirri Mert gestalteten das Friedensgebetin der Kapelle des Bistumshauses. Johannes Böhm sorgte für die musikalische Begleitung.
Der Text wurde bereits auf der Homepage des Erzbistums Bamberg veröffentlicht